Wie genau waren die Umfragen in Bayern und Hessen 2018?
Im Anschluss an die Landtagswahlen in Bayern und Hessen untersuchen wir
die Genauigkeit der vor den Wahlen veröffentlichten Umfragen sowie
der gepoolten Umfrage von KOALA.
Die Unsicherheiten hinter den zu Sonntagsfragen veröffentlichten Stimmanteilen
liegen generell bei 2-3 Prozentpunkten.
Parteien mit größeren Stimmanteilen unterliegen dabei stärkeren Schwankungen.
Was ist die KOALA-Methode?
Grundlage für unsere Wahlanalysen stellt eine sogenannte gepoolte Umfrage
dar, ein gewichteter Durchschnitt der Umfragen ausgewählter, in Deutschland
etablierter Umfrageinstitute. Um aktuelle Trends zu erfassen werden dabei nur
die Umfragen der letzten 28 Tage berücksichtigt (Umfragen älter als 15 Tage mit
halbem Gewicht) und jeweils nur maximal eine Umfrage pro Herausgeber.
Gleichzeitig reduziert das Aggregieren von Umfragen die Unsicherheit, um ein
möglichst robustes Bild der aktuellen Stimmungslage zu erhalten.
Landtagswahl in Hessen
Die Landtagswahl in Hessen fand am 28.Oktober statt. Letzte Umfragen wurden
bis zu drei Tage vor der Wahl von vier Instituten veröffentlicht:
Institut
Veröffentlichung
Civey
25.10.2018
Forsch’gr. Wahlen
25.10.2018
INSA
23.10.2018
Infratest dimap
18.10.2018
Die zwischen den Umfrageinstituten zu beobachtenden Unterschiede der veröffentlichten
Stimmanteile liegen insgesamt im Rahmen der zu erwartenden Schwankungen, sowohl
bei Union (Stimmanteile zwischen 26% und 28%), Grünen (18,5%–21%),
SPD (20%–22%), AfD (12%–13%) und FDP (7%–9%).
Lediglich bei der Linken sowie den sonstigen Parteien fällt auf,
dass alle vier Umfrageinstitute gleiche Stimmanteile von 8% bzw. 4% berichten.
Die folgende Grafik visualisiert die Abweichungen der Einzel-Umfragen und des
auf Basis unserer KOALA-Methode berechneten Stimmungsbilds zum amtlichen Wahlergebnis.
Bei Union (Abweichungen zwischen -1 und +1 Prozentpunkten), Grünen
(-1.3; +1.2) und FDP (-0.5; +1.5) lassen sich keine strukturellen
Abweichungen
beobachten. Strukturelle Abweichungen hingegen liegen bei SPD (+0.2; +2.2),
der Linken (alle +1.7) sowie den Sonstigen (alle -2.5) vor.
Der Stimmanteil dieser Parteien wurde in allen Umfragen über- bzw. unterschätzt.
Auch die AfD (-1.1; -0.1) wurde von allen Umfrageinstituten unterschätzt,
jedoch entsprach der berichtete Stimmanteil von zwei der vier Institute fast exakt dem Wahlergebnis.
Speziell die Überschätzungen von SPD, Linken und Sonstigen weisen letztendlich auf einen
Industriebias – d.h. einen strukturellen Fehler aller Umfrageinstitute – hin,
welcher SPD- und Linke-Wähler in den veröffentlichten Stimmanteilen
überrepräsentiert und die Wähler sonstiger Parteien unterrepräsentiert.
Über alle Parteien hinweg lagen die Umfragen in Hessen recht nahe am
tatsächlichen Wahlausgang (s.u.). Die maximale mittlere Abweichung eines
Instituts liegt mit +1.31 Prozentpunkten (ohne Sonstige: +1.12) immer noch klar im Bereich der zu
erwartbaren Schwankungen. Forschungsgruppe Wahlen sowie die gemittelte Umfrage
von KOALA, beide mit einer mittleren Abweichung von +1.03 Prozentpunkten (+0.78),
waren dem amtlichen Endergebnis am nächsten.
Eine Betrachtung der durch die KOALA-Methode berechneten Wahrscheinlichkeiten
zeigt, dass eine probabilistische Interpretation der Umfragen sinnvoll ist.
CDU und Grüne hätten auf Basis ihres berichteten gepoolten Stimmanteils von 47
Prozentpunkten (bei 4% für Sonstige) keine Sitzemehrheit im Landtag erreicht.
Unter Einbezug der Unsicherheit lag die letztendlich erreichte mögliche Mehrheit
jedoch im Rahmen des Erwartbaren (22% Wahrscheinlichkeit).
Das Bündnis der Parteien SPD, Grüne und FDP hatte mit einem gepoolten Stimmanteil von 49 Prozentpunkten
höhere Erfolgsaussichten (66%).
Die letztlich erreichte, Grün-geführte Sitzemehrheit bei dieser Koalitionsoption
erschien auch hier auf Basis der Umfragen als möglich (38% für SPD-Grüne-FDP + 28% für Grüne-SPD-FDP).
Landtagswahl in Bayern
Zur Landtagswahl in Bayern – welche am 14.Oktober stattfand – veröffentlichten
fünf Institute eigene Umfragen. Die Umfragen wurden dabei zwischen
drei und 17 Tagen vor der Wahl veröffentlicht:
Institut
Veröffentlichung
Civey
11.10.2018
Forsch’gr. Wahlen
11.10.2018
INSA
09.10.2018
Infratest dimap
04.10.2018
GMS
27.09.2018
Die Unterschiede zwischen den Umfragen liegen wie in Hessen im Rahmen der
zu erwartenden Schwankungen. Dies gilt mit Union (32.9%–35%), Grünen
(16%–18.5%), Freien Wählern (9.8%–11%), AfD (10%–14%), SPD (10%–13%), FDP
(5%–6%), Linken (3.9%–4.5%) und Sonstigen (4%–6.5%) für alle Parteien.
Im Vergleich zur Wahl in Hessen zeigen sich in Bayern größere Abweichungen der
Umfragen zum Wahlergebnis. Es lässt sich ein klarer Industriebias erkennen, da
insbesondere CSU (Abweichungen zwischen -4.3 und -2.2 Prozentpunkten),
AfD (-0.2; +3.8) und SPD (+0.3; +3.3) von (fast) allen Umfrageinstituten deutlich
unter- bzw. überschätzt wurden.
Die beobachteten Abweichungen liegen nicht mehr im Bereich der zu erwartenden
Schwankungen und zeigen strukturelle Fehler der Umfrageinstitute auf, welche
bestimmte Wählergruppen in den Umfragen nicht adäquat repräsentieren.
Weniger ausgeprägt, aber auch strukturell sind die Abweichungen bei
Freien Wählern (-1.8; -1.6), Linken (+0.7; +1.3) und FDP (-0.1; +0.9).
Betrachtet man die mittleren absoluten Abweichungen der Umfragen vom
tatsächlichen Wahlausgang lagen die Institute zwischen +1.23 und +1.58
Prozentpunkten (ohne Sonstige: +1.27; +1.77).
Am nächsten an den tatsächlichen Stimmanteilen lag unsere KOALA-Umfrage
(ohne Sonstige: Infratest dimap).
Auch in Bayern zeigt sich der Vorteil der probabilistischen Interpretation der Umfragen.
Die inzwischen geformte Regierung aus CSU und Freien Wählern hatte
in der letzten gepoolten Umfrage einen Stimmanteil von 44.2 Prozentpunkten.
Dieser Anteil selbst hätte nicht für eine Sitzemehrheit im Landtag ausgereicht.
Er entsprach jedoch einer Mehrheitswahrscheinlichkeit
von 22% und eine Mehrheit lag damit durchaus im Rahmen des Erwartbaren.