Am 14.Oktober 2018 findet die Landtagswahl in Bayern statt. Zweieinhalb Wochen vor der Wahl blicken wir auf die aktuelle Lage im Freistaat und geben einen Überblick über die Aussichten der Parteien sowie realistische Regierungsoptionen. Im Gegensatz zur üblichen, auf Anteile fokussierten Wahlberichterstattung, berechnen wir anhand einer eigens entwickelten Methode (s.u.) die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse, z.B. einer Sitzemehrheit der Koalition “CSU - Freie Wähler” oder dem Einzug der FDP in den Landtag. Das hat den Vorteil, dass die den Umfragen inhärente Unsicherheit einerseits berücksichtigt und andererseits durch die Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten konkret quantifiziert wird.
Grundlage für unsere Wahlanalysen stellt eine sogenannte gepoolte Umfrage dar, ein gewichteter Durchschnitt der Umfragen ausgewählter, in Deutschland etablierter Umfrageinstitute. Um aktuelle Trends zu erfassen werden dabei nur die Umfragen der letzten 28 Tage berücksichtigt (Umfragen älter als 15 Tage mit halbem Gewicht) und jeweils nur maximal eine Umfrage pro Herausgeber. Gleichzeitig reduziert das Aggregieren von Umfragen die Unsicherheit, um ein möglichst robustes Bild der aktuellen Stimmungslage zu erhalten.
Wir legen den Fokus in der Interpretation der Umfragen nicht auf die beobachteten Stimmanteile, sondern auf die sich dadurch ergebenden Wahrscheinlichkeiten, dass bestimmte Ereignisse nach der Wahl eintreffen. Auf diese Weise lassen sich die Unsicherheiten, mit welchen jede Wahlumfrage verbunden ist, auf natürliche Weise darstellen. Basierend auf wissenschaftlichen, statistischen Methoden simulieren wir eine Vielzahl möglicher Wahlausgänge und können auf diese Weise berechnen, wie etwa die Chancen auf den Einzug einer Partei in den Landtag stehen oder mit welcher Wahrscheinlichkeit zwei (oder mehr) Parteien gemeinsam eine Sitzemehrheit im Parlament erreichen.
Zu betonen ist, dass es sich bei den von uns berechneten Wahrscheinlichkeiten nicht um Wahlprognosen handelt (“fore-cast”), sondern um eine Beschreibung des aktuellen Ist-Zustandes (“now-cast”).
Die Wahrscheinlichkeiten sind zu interpretieren als “Wenn heute Landtagswahl wäre…”. Durch kurzfristige Entwicklungen nach Erscheinen dieses Artikels können die (Un)Sicherheiten der betrachteten Ereignisse noch relevanten Veränderungen unterliegen.
Genaueres zur statistischen Methodik finden Sie hier.
Nachdem die CSU von 2008 bis 2013 erstmals nach knapp 50 Jahren ohne absolute Mehrheit eine Regierungskoalition mit der FDP eingehen musste, schaffte die Partei es 2013 wieder, mit 47,7% der Stimmen die alleinige Mehrheit der Sitze im Parlament zu erlangen. Der Regierungspartner FDP dagegen verpasste das Erreichen der zum Einzug in das Parlament notwendigen 5%-Hürde mit einem Stimmanteil von 3,3% – ebenso wie die Linke (2,1%). Zweitstärkste Kraft wurde mit knapp über 20% der Stimmen die SPD. Die AfD trat bei der Bayerischen Landtagswahl nicht an.
Seit der Landtagswahl 2013 unterlag der Parteienzuspruch in Bayern starken Veränderungen. Hier sind insbesondere der analog zum Bund verlaufende Aufstieg der AfD sowie der in den letzten Jahren verstärkt stattfindende Rückgang der (ehemaligen) Volksparteien zu nennen. Auf Basis der in den letzten 4 Wochen veröffentlichten Umfragen ergibt sich aktuell folgendes Bild:
Die Veränderungen zum Ergebnis der Landtagswahl 2013 wird in der folgenden Grafik deutlich. Während die Volksparteien massiv Stimmanteile einbüßen, sind AfD und Die Grünen die Hauptgewinner:
Bei der Betrachtung von möglichen Koalitionen beschränken wir uns auf Regierungsbündnisse, die von den beteiligten Parteien nicht explizit ausgeschlossen worden sind. Vor der Landtagswahl hält sich die CSU dabei eine Zusammenarbeit mit allen Parteien mit Ausnahme der AfD und Die Linke offen.
Jenseits einer CSU-geführten Regierung liegen in Bayern momentan keine Mehrheiten realistischer Regierungsoptionen in Aussicht. Eine Mehrheit ohne CSU Beteiligung könnte sich höchstens ergeben, wenn sich Grüne, SPD, Freie Wähler und FDP zur Zusammenarbeit in einem Viererbündnis bereit erklären würden.
Im Folgenden betrachten wir einige im Rahmen der Landtagswahl Bayern wichtige und mit Unsicherheit behaftete Ereignisse, die in der üblichen Berichterstattung oft von Interesse sind. Weitere Analysen zur Wahl finden sich auf koala.stat.uni-muenchen.de.
Die folgende Grafik zeigt wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die jeweiligen CSU-geführten Koalitionen auf Basis der aktuellen Umfragen eine rechnerische Sitze-Mehrheit erreichen würde.
Zu betonen ist, dass
Die Ergebnisse:
Abgesehen von einer CSU-geführten Regierung wären durch das wohl schwächere Abschneiden der Christsozialen zwar theoretisch Mehrheiten möglich, jedoch mit nur geringer Wahrscheinlichkeit, unter anderem auch aufgrund des hohen Stimmanteils der AfD. Lediglich das (politisch) nur sehr entfernt realistisch erscheinende Viererbündnis von Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP erreicht hierbei eine nicht-vernachlässigbare Wahrscheinlichkeit auf eine rechnerische Sitzemehrheit von etwa 5%.
Von großer Relevanz für die Erreichung von Mehrheiten im Parlament ist insbesondere, ob die “kleinen” Parteien in den Landtag einziehen. Zweieinhalb Wochen vor der Wahl besteht diesbezüglich eine größere Unsicherheit bei der FDP (5.4% Stimmanteil in der gepoolten Umfrage) sowie bei der Linken (4.1%). Beide Parteien sind derzeit nicht im Landtag vertreten.
Die untere Grafik stellt die auf Basis der gepoolten Umfrage simulierten Stimmanteile der FDP dar. Die blaue Fläche symbolisiert dabei den Anteil an möglichen Wahlausgängen, in welchen die FDP einen Stimmanteil von über 5% erreicht (74.3%). Die graue Fläche visualisiert die simulierten Wahlausgänge, in welchen die Partei den Einzug in den Landtag verpasst (25.7%). Würde heute gewählt, so läge die Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgreichen Wiedereinzug der FDP in den Landtag somit bei etwa 74%.
Bei der Linken ergibt sich entsprechend ihres geringeren Stimmanteils von 4.1% eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit:
Auf Basis der aktuellen Umfragen ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 7.3%, die 5%-Hürde zu erreichen. Die Linke hat folglich nur eine kleine, aber nicht zu vernachlässigende Chance den Einzug in das Parlament zu schaffen.
Dieser Artikel stellt den Stand zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl dar (Stichtag 26.09.2018, 16:00 Uhr). Bei Veröffentlichung weiterer Umfragen vor der Wahl werden Updates auf koala.stat.uni-muenchen.de sowie bei @KOALA_LMU auf Twitter bekannt gegeben.
Einige Wochen nach der Landtagswahl werden wir eine Nachbetrachtung der Wahl hier im Blog veröffentlichen.